Wagner in Berlin 2019/20: Deutsche Oper/ Staatsoper

NEWS: Wagner-Roundup Berlin 2019/20!

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Richard Wagner, der im allzu spießigen oder gesitteten Bayern (je nachdem, wo man herkommt) seine Heimat fand, hatte dennoch im ungezügelten Berlin ein besonderes Erlebnis. Auf Berlin Straßen lief er einst an einem Drehorgelspieler vorbei, der den Hochzeitsmarsch aus seinem Lohengrin spielte. Wagner war mit der Spielweise der Drehorgel sehr unzufrieden, sie spielte seinen Marsch viel zu langsam. Er hielt an und bat den Drehorgelspieler, das Instrument einmal selbst betätigen zu dürfen.
Den großen Meister erkennend, machte der Drehorgelspieler Platz, und Wagner drehte einige Male deutlich schneller an der Orgel. Der Orgelspieler dankte dem großen Meister für seinen Tipp und versprach, das vorgegebene Tempo in Zukunft beizubehalten. Als Wagner dann am Nachmittag wieder am Drehorgelspieler vorbei kam, freute er sich, dass sein Marsch nun im korrekten Tempo gespielt wurde. Wie war er aber erstaunt, als er neben der Drehorgel ein großes Schild erblickte, auf dem geschrieben stand:
“Schüler von Richard Wagner.”

Diese nette kleine Geschichte wird Richard Wagner immer mit Berlin verbinden. Sie, und natürlich die vielen großartigen Wagner-Aufführungen, die die Stadt seit seiner Zeit gesehen hat. Von einem konzertanten Parsifal der Berliner Philharmoniker ,zu Barenboims Parsifal und einem Lohengrin an der Deutschen Oper habe ich Einiges miterlebt und auf FreshEarsClassics dokumentiert. Diese Spielzeit werden noch Barenboims Meistersinger und (endlich!) Barenboims Tristan hinzukommen.

Aber was passiert nächste Spielzeit im Wagner-Fach in Berlin? Hier sind die spannendsten Produktionen an beiden Wagner-Häusern der Stadt, in der Reihenfolge von was für mich am spannendsten aussieht:

September 2019: Ring-Wiederaufnahme an der Staatsoper Berlin. Ja klar, es gibt die Herheim-Neuproduktion an der Bismarckstraße. Aber ein Barenboim-Ring ist immer das erste Ereignis in der Wagner-Stadt Berlin, wenn er nicht den Tristan macht. Die Produktion von Guy Cassiers wird noch einmal gegeben. Und wenn das einem nicht genug ist, dann kredenze man sich die Besetzung: Michael Volle singt den Wotan nur an der Staatsoper in der nächsten Spielzeit. Dazu sind Irène Theorin als Brünnhilde, Andreas Schager als Siegfried und Anja Kampe als Sieglinde allesamt weltweite Bestbesetzungen in ihren Rollen. Und über Simon O’Neill als Siegmund, Falk Struckmann als Hunding und Waltraud Meier als Waltraute wird man auch nicht die Nase rümpfen. Hin oder her, die Besetzung bringt diesen Ring für mich ganz klar auf Platz 1.

Mai 2020: Aber bevor jemand beleidigt wird, ganz schnell zur Rheingold-Premiere von Stefan Herheim an der Deutschen Oper Berlin. Nach einem grandiosen Marionetten-Lohengrin an der Staatsoper, dem grenzüberschreitenden Bayreuther Parsifal und den urkomischen Salzburger Meistersingern, wagt sich Shooting-Star Stefan Herheim an den Zenit des Wagnerfachs. Den Zeittunnel von Götz Friedrich zu beerben wird gewiss keine leichte Aufgabe. Aber eines der spannendsten europäischen Opernprojekte ist hier trotzdem im Gange. Die Besetzung des Rheingolds ist mit Derek Welton als Wotan, Thomas Blondelle als Loge und Markus Brück als Alberich ebenfalls international angesehen, wenn nicht so international prominent wie an der Staatsoper.

Dezember/ Mai 2020: An der Deutschen Oper gibt es außerdem eine Tristan-Wiederaufnahme. Die Produktion von Graham Vick wird wiederbelebt, und zwar mit der Premierenbesetzung, die es sonst nirgendwo gibt: Stephen Gould und Nina Stemme in den beiden Hauptrollen. Stemme gilt ja als wohl beste hochdramatische der Zeit, Gould hat den Tristan schon so ziemlich überall gesungen und kennt die Rolle in- und auswendig. Ich habe die Vick-Produktion nicht gesehen, und Donald Runnicles an der Deutschen Oper wird bei dieser Oper wohl eher nicht an Barenboim herankommen. Aber sei’s drum. Für Gould und Stemme gemeinsam sollte es sich lohnen.

Mai 2020: Die anderen Wiederaufnahmen der deutschen Oper können sich auch allesamt sehen lassen. Klaus Florian Vogt singt im Mai sowohl den Parsifal als auch den Tannhäuser, in den Inszenierungen von Philipp Stölzl und Kirsten Harms. Wenn mich nicht alles täuscht, hört man Vogts Tannhäuser hier zum ersten mal außerhalb Münchens. Im Parsifal stehen Vogt dabei mit Günter Groissböck als Gurnemanz und Derek Welton als Klingsor jeweils Bayreutherfahrene Sänger zur Seite. Und auch im Tannhäuser singt mit Tobias Kehrer als Landgraf und Elisabeth Strid als Elisabeth und Venus international erfahrenes Personal.

Juni-Juli 2020: Die Staatsoper bringt eine Wiederaufnahme des Holländers von Philipp Stölzl. Die Besetzung ist wahrhaftig erlesen, mit Matthias Goerne als Holländer. Peter Rose als Daland und Richarda Merbeth als Senta habe ich beide schon dieses Jahr in Bayreuth gehört, gerade Rose ist mir dabei als Sängerschauspieler von größtem Format im Gedächtnis geblieben. Und Andreas Schager singt auch noch den Erik, Thomas Guggeis dirigiert.

April-Mai 2020: Und einen Fliegenden Holländer gibt es auch an der deutschen Oper. Ein jüngeres, international etwas weniger bekanntes Ensemble singt. Und dass muss ja keineswegs schlecht sein: Martina Welschenbach singt Senta, Tobias Kehrer ist Daland und Noah Bouley singt die Titelrolle.

Mit dem Holländer an der Deutschen Oper werden dann tatsächlich alle großen Wagneropern bis auf Lohengrin und Meistersinger in der Spielzeit 2019/20 in Berlin gespielt. Meines Wissens stemmt das keine andere Stadt der Welt. Und mit Gould und Stemme als Tristan und Isolde, Schager als Siegfried, Volle als Wotan, Vogt als Parsifal und Tannhäuser. Da muss sich selbst München anstrengen. Und spätestens das wird jeden Berliner Drehorgelspieler zum Strahlen bringen.

Schaut auch gerne auf den anderen Posts meines Blogs vorbei! Es gibt weitere Konzertkritiken (Bayreuth-Spezial 2018 mit Meistersinger, Parsifal und Holländer, Parsifal mit Kaufmann und Petrenko der Bayerischen Staatsoper 2018), Aufnahmekritiken (Tchaikowsky KlavierkonzertDvorak Cello Konzert) sowie meine Gedanken zu allen Neuigkeiten der Klassik! Lasst uns gemeinsam Spaß an der klassischen Musik haben!

// ENGLISH

Richard Wagner found his home in Bavaria, far from Berlin. But he did have a rather special experience on the beautiful streets of Berlin: One time, he was walking by a street organ player, who was playing Wagner’s own Wedding March from Lohengrin. The piece had become popular quickly, but Wagner was not happy with the slow tempo the player had selected for his march. Wagner stopped and asked the player whether he could have a go himself. Recognising the great Master, the player made way and Wagner turned the wheel of the organ a few times, advising a significantly faster tempo. The player thanked Wagner for his advice and promised to adopt set tempo for the march from now on.
When Wagner came by the organ player again on the same afternoon, he not only happily recognised that his march was now being played in the correct tempo. With bemusement, he also noted a large sign next to the organ reading:
“Student of Richard Wagner”

This cute little story will undoubtedly forever link Richard Wagner and Berlin. Along with all of the great performances of his operas that Berlin has witnessed over the years. I myself have heard a few, from the Berliner Philharmoniker’s concert performance of Parsifal to Barenboim’s Parsifal and a Lohengrin at the Deutsche Oper. This season, I will also still be hearing Barenboim’s Meistersinger and finally (!) Barenboim’s Tristan.

But what is happening next season in the Wagner-department in Berlin? Here are the most exciting production at both Wagner-houses, in the order of what looks most exciting:

September 2019: The Ring-revival at the Staatsoper Berlin. Sure, we are getting a new Ring by Stefan Herheim at the Deutsche Oper. But a Barenboim Ring is always the top event, no matter what else happens. Once again, Barenboim will conduct the Guy Cassiers production. And if that does not get you excited, have a look at the cast: Michael Volle sings Wotan, only in this production next season. Iréne Theorin as Brünnhilde, Andreas Schager as Siegfried and Anja Kampe as Sieglinde are all arguably best possible castings for their roles worldwide. And Simon O’Neill as Siegmund, Falk Strukmann as Hunding and Waltraud Meier as Waltraute are also among the very best for their roles. This Ring, this conductor, this cast. Clear number one for me.

May 2020: But before anyone gets offended, the silver medal obviously goes to Stefan Herheim and his Rheingold Premiere at the Deutsche Oper. After some truly genius explorations into the Wagner universe, Herheim is now readying himself for the Mount Everest of Wagner at the Deutsche Oper to replace Götz Teusch’s famous tunnel. It is one of Europe’s most exciting opera projects, well-cast with Derek Welton as Wotan, Thomas Blondelle as Loge and Markus Brück as Alberich. Donald Runnicles conducts and completes a remarkable set-up for Berlin’s new Ring.

December / May 2020: The Deutsche Oper is also doing a revival of the Graham Vick production of Tristan, with a cast that you will hear nowhere else: Stephen Gould and Nina Stemme are singing together in title roles. Stemme is known as probably the best dramatic soprano of our time, and Gould has sung Tristan everywhere, literally. Ich have not seen the Vick production, and Donald Runnicles probably won’t match Daniel Barenboim’s conducting of this piece at the Staatsoper, but nonetheless: Gould and Stemme should be worth it.

May 2020: The other Wagner-revivals at the Deutsche Oper are also definitely worth a listen. Klaus Florian-Vogt sings both Parsifal and Tannhäuser in the respective stagings of Philipp Stölzl and Kirsten Harms. If I’m not mistaken, this is the first time we are hearing Vogt’s Tannhäuser outside of Munich. Parsifal features fellow Bayreuth-veterans Günther Groissböck as Gurnemanz and Derek Welton as Klingsor, while Tobias Kehrer sings the Landgraf in Tannhäuser alongside Elisabeth Strid as both Elisabeth and Venus.

June-July 2020: The Staatsoper Unter den Linden ends its season with a Flying Dutchman and a cast as Bayreuth-experienced as you could ever want. Andreas Schager (Erik), Peter Rose (Daland) and Ricarda Merbeth (Senta) have all sung these roles in Bayreuth before, I heard Rose and Merbeth personally this year. And Matthias Goerne is singing the title role in the Philipp Stölzl production, with Thomas Guggeis conducting.

April-May 2020: Finally, the Deutsche Oper is also offering a Flying Dutchman, with a slightly less well-known cast. But, as we know, that does not have to mean anything. Martina Welschenbach sings Senta, Tobias Kehrer sings Daland and Noah Bouley sings the title role.

And yes, you counted correctly! Apart from Lohengrin, all big Wagner-operas will be played in Berlin in the season of 2019/20. To my knowledge, no other city in the world can make something like that happen. With Gould and Stemme as Tristan and Isolde, Schager as Siegfried, Volle as Wotan and Vogt as Parsifal and Tannhäuser, the singers are truly top-class as well. Not even Munich can top that. And that will definitely delight every Berliner.

Also, please have a look on the other posts of my blog! There are other great reviews of live performances (BAYREUTH SPECIAL 2018: Meistersinger, Parsifal, Höllander; Parsifal with Kaufmann and Petrenko at Munich (2018)), reviews of recordings (Tchaikowsky Piano ConcertoDvorak Cello Concerto) as well as my thoughts on all important news in classical music. Let’s have fun with classical music together!

 

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